Mehr Grips oder mehr Geld? Über die Malaise des deutschen Startup-Ökosystems (Teil1)

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In meinen letzten Artikeln konnte ich anhand der Überlegenheit der meisten europäischen Startup-Ökosysteme gegenüber dem deutschen zeigen, dass die deutsche Schwäche an einem ganz sich nicht liegt: An zu wenig Geld. Denn kaum ein europäischer Staat investiert kumuliert auf seinen nationalen, regionalen und lokalen Ebenen mehr Geld in sein Ökosystem als das deutsche. Lediglich das Vereinigte Königreich macht noch etwas mehr. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich zwei interessante Fragen:

(1) Wenn unsere Schwäche nicht an einem Mangel an Geld liegt: Woran liegt sie dann?

(2) Warum fordern alle Stakeholder dieses deutschen Ökosystems auf allen Ebenen – und zwar beinahe unisono trotzdem: „Mehr Geld!“?? (Erfreuliche mir bekannte Ausnahmen in meinem eigenen Bundesland Schleswig-Holstein und in Bayern, hier und da auch in Berlin, bestätigen die Regel.)

Smart Money statt More Money

Als Business Angel, dem es sozusagen per Definition um „smart money“, also nicht nur um „money“, geht, lautet meine Antwort auf die erste Frage: Unsere Schwäche liegt an wenig intelligent ausgegebenen Geld. Smarter money für das deutsche Startup-Ökosystem ist nicht nur in betriebswirtschaftlicher Hinsicht sondern auch in volkswirtschaftlicher ein mehr als dringliches Desiderat – und das sowohl mit Blick auf den Steuerzahler (Effizienz) als auch hinsichtlich des erwartbaren Erfolgs (Effektivität).

„Viel“ klingt halt gut

Meine Antwort auf die zweite Frage: Weil das einfach ist. Einfach mehr Geld, das der Staat, wenn auch über viele Jahre verteilt, Gründerinnen und Gründern, Startups, VCs, Angels, Inkubatoren, Akzeleratoren, Wirtschaftsförderern, IHKen, Hubs, Fördererinstituten usw. verspricht, pazifiziert deren Gemüter und kann jederzeit als Beleg für den staatlichen Tatendurst herhalten: „Seht her: Wir machen doch so viel“. Die viel gefeierte WIN-Initiative der letzten und jetzigen Bundesregierung und der KfW, die bis 2030 12 Mrd. € zusätzliches Venture Capital mobilisieren will, von dem das Gros allerdings privat zu stemmen sein wird und von dem bis heute vollkommen offen ist, wer sich dazu dann tatsächlich mehr als nur verbal committen wird, gibt dafür sehr beredt Zeugnis. Dieses Geld soll, so es denn wirklich kommt, natürlich nicht nur über viele Jahre, sondern außerdem „fair“ auf ganz viele Startup-Phasen verteilt werden, damit ja kein Stakeholder Grund zur einer Beschwerde ob „unfairer“ Minderzuteilung finden wird.

Das schlichte Rezept „Mehr Geld!“ wird sicherlich tatsächlich seinen Beitrag zu mehr Gründungen in Deutschland leisten können. Die Initiative wird sicherlich auch einen Beitrag zu der einen oder anderen zusätzlichen guten Gründung aus Deutschland leisten können. Nur: Es wird dennoch nicht besonders klug, also effizient investiertes Steuergeld sein. Denn es wird mit der Gießkanne ausgegossenes Geld sein, das zu wenig wirklich lohnende Investitonsziele und zu viele nicht lohnende erreichen wird.

Maximale Streuverluste statt „achtsamer“ Umgang mit Steuergeld

Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Unsere europäischen und außereuropäischen Benchmarks geben, von den absolut und pro Kopf deutlich erfolgreicheren Startup-Ökosystemen, den USA und dem Vereinigten Königreich einmal abgesehen, pro Kopf signifikant viel weniger Geld für ihre Startup-Ökosysteme aus. Und sie sind trotzdem viel besser als wir. Bei meinen gar nicht so vielen Business Angel-Reisen der letzten Jahre nach Thessaloniki, Brüssel, Mailand, Kopenhagen, Zürich und Eriwan und bei den dabei geführten Gesprächen u.a. mit Griechen, Finnen, Dänen, Nowegern, Türken, Niederländern, Israelis, Armeniern, Amerikanern und Schweizern begegnete mir praktisch ausnahmslos mitleidvolles Schulterklopfen. Zugegeben: Es gibt Länder, die pro Kopf noch schlechter als wir selbst dastehen: Polen, Spanien, Portugal, Italien zum Beispiel. Und es gibt solche, die ähnlich schlecht abschneiden wie wir. Da wäre Belgien zu nennen, das etwas weniger Unicorns und etwas mehr Startups pro Million Einwohner auf den Tisch beingt. Doch die haben das alle erkannt und geben sich intelligent Mühe, der Misere zu entkommen. Sie wachsen schneller aus ihrer System-Krise als wir.

Wäre es da, zumal angesichts unserer Haushaltslage und den weidlich bekannten strukturellen Herausforderungen unserer Volkswirtschaft auch jenseits unserer Startup-Welt nicht endlich angezeigt, statt jahrein, jahraus nach mehr Geld zu rufen und dieses dann auch auszugeben, über das Begeben „besseren Geldes“ nachzudenken?

B2B Sales als betriebswirtschaftliches Template für staatliches Fördern

In einer kleinen Serie werde ich dieses Thema in den kommenden Wochen vertiefen. Im Mittelpunkt stehen soll dabei als Muster der Sales erfolgreicher B2B-Vertriebe. Startup-Förderung ist keine Vertriebsübung, kein Sales, doch was weltweit für guten Sales gilt, ist lehrreich auch innerhalb unseres Kontexts.

Das Ziel eines jedes guten Vertriebs ist es, möglichst effektiv und gleichzeitig effizient geeignete Prospects, künftige Kunden a) zu identifizieren, b) zu gewinnen und c) als Bestandskunden zu halten. Ein gutes Startup-Fördersystem macht genau das gleiche; es sucht nur keine Kunden, sondern Gründerinnen und Gründer, die geeignet sind, erfolgreiche neue Unternehmen auf die Beine zu stellen und es will diese „Kunden“ dann möglichst lange halten ohne für all das mehr Geld ausgeben zu müssen als nötig ist.

Zweckmäßig gliedern lassen sich B2B-Vertriebs-Herausforderungen entlang des Sales-Prozesses in 5 chronologisch aufeinander folgende Abschnitte:

(1) Aufmerksamkeit für die eigene Leistung schaffen

(2) Prospects herausfiltern

(3) Angebote legen

(4) Verhandeln und Abschließen

(5) After Sales (sowohl im Falle des erfolgten Verkaufs als auch im Falle des nicht-Verkaufs).

Entscheidend für die Qualität dieses Prozesses ist erstens, dass die Qualität des jeweils vorangegangenen Schritts stimmt. Wenn ich am Anfang Mist baue, wird schon beim nächsten Schritt nichts Gutes herauskommen können. Ich habe dann sowohl beim vorangegangenen als auch beim folgenden Geld zum Fenster heraus geworfen.

Zweitens kommt es dabei darauf an, bei jedem dieser Schritte möglichst sparsam (nicht unbedingt geizig) mit meinen Ressourcen umzugehen. Denn wenn ich mehr Geld ausgebe als nötig ist, schade ich anderen, die ebenfalls Anspruch auf dieses Geld erheben dürfen. Und damit schade ich auf mittlere oder lange Sicht mir selbst. Das ist betriebswirtschaftlich so, und es ist volkswirtschaftlich betrachtet genauso.

In meinem nächsten Post wird es um den ersten Prozess-Schritt, das Generieren von Awareness gegenüber B2B-Kunden einerseits, geeigneten Gründerinnen und Gründern andererseits, gehen: Wie vermeide ich Streuverluste, ohne Impact zu verlieren?