gamescom 2019 Revisited

jvhNew articles

Gamescom-2019-revisited
Gamescom-2019-revisited

Welches sind die strategischen, also mittel- und langfristig wirksamen Treiber der Video-Spieleindustrie? Welche Treiber wirken nur vorübergehend?

Endgeräte:

Immer mehr Menschen, auch arme, besitzen ein eigenes Smartphone.  

Infrastruktur:

  • Internetzugang ist eine Commodity. Das Netz ist „überall“ (außer in Deutschland) und es wird überall immer preiswerter.
  • Cloudanbieter ermöglichen es Usern vollwertige Spielerlebnisse zu genießen auch wenn ihre Endgeräte von Haus aus weniger geeignet sein sollten.
  • Clouddienste ermöglichen es Games-Entwicklern, ihre Charaktere signifikant schneller, besser und preiswerter rendern zu können als das bis dato der Fall war. Dies ist eine Chance für etliche Indie-Studios, aus ihrem Nischendasein herauszutreten.

Micropayment:

Inzwischen ist es wirtschaftlich darstellbar, selbst minimale Preise für in-game-Käufe abzurechnen. Bislang mussten heavy users („die Wale“, die für in-game-Käufe von virtuellen Gütern sehr viel Geld ausgeben), die Masse kostenlos spielender „Heringe“ subventionieren. Effizientere Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten machen nun auch diese Heringsmasse als Zahler wirtschaftlich interessant.

Freizeit:

Immer mehr Menschen haben immer mehr Freizeit; daran wird sich nichts ändern, im Gegenteil: Die Entwicklung des Freizeitüberangebotss wird an Geschwindigkeit und Umfang weiter zunehmen.

Erfolgsmessung – Machine Learning macht es möglich:

In-game analytics, Spielersegmentierung, customer acquisition cost, retention, cross selling, churn,…. Kein Konsumprodukt lässt sich heute so präzise und schnell nach Nutzerbedarfen aussteuern wie das Angebot der Spieleindustrie.

Alleinstellung:

Die globale Spielewirtschaft (2018: 96 Mrd. USD) ist inzwischen größer als die globale Zeitungsverlagsindustrie (2017: 93 Mrd. USD). Woran liegt das? Die neue Medienwelt führt weltweit zu Überforderungserscheinungen hinsichtlich tradierter Freizeitangebote Kunst, Literatur, Musik, Theater, Sport und Reisen. Bis auf den Sport und das Reisen, bei denen „Fortbewegung“ Programm ist, sind klassische Freizeitangebote im Vergleich zum Games Content schlicht zu anstrengend: sie erzwingen Aufenthalts- und Medienbrüche und sie überfordern die zunehmend kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne der meisten Menschen. Damit gewinnen online und offline Gaming alters- und soziale Schichten übergreifend ein alle anderen Freizeitangebote marginalisierendes Gewicht.

Substitution:

Mobile Games sind entweder überhaupt kein Substitut für Video Games oder sie fungieren als mobiler Arm der Video Games Anbieter und bewirken Nutzerretention und -Akquisition, schaden ihr also nicht, sondern helfen ihr. Nur als Absatzkanal der Werbewirtschaft kann man von einer Konkurrenz zwischen mobile und Desktop/Konsole sprechen. Aber auch das macht wenig Sinn, da eine so generische Segmentierung dem spezifischen Matchingbedarf zwischen einer Werbebotschaft und einem spezifisch passenden Contentangebot nicht gerecht wird.

Welche Treiber wirken nur vorübergehend?

Viel Wind wird derzeit um „immersive Technologien“, Virtual und Augmented Reality sowie 3D gemacht. Ohne Frage sind das für die Videospieleindustrie momentan interessante Treiber.

Doch die Erwartung, dass darüber nachhaltig Wachstum gesichert oder gesteigert werden kann, ist naiv. Gute Games leben von spielintrinsischen spezifischen Erfolgsmerkmalen, dem Story telling und dem Game Design. Man erkennt das auch an dem Erfolg mobiler (Indie-) Mini Games, die weitestgehend ohne graphisches Brimborium auskamen und erst jetzt langsam unter Nutzung von Cloud Services ihr graphisches Niveau steigern können und müssen.

VR und AR sind Momente, die zu bisher schon überaus erfolgreichen Gaming-Angeboten hinzutreten. Überspitzt formuliert: AR und VR konkurrieren mit Games, weil sie ein zusätzliches Erlebnismoment schaffen, das gute Spiele selbst nicht unbedingt benötigen.

Die Situation lässt sich mit dem nur sehr bedingt erfolgreichen Mehrwert des 3D-Renderings von Kinofilmen vergleichen. Die kann man mit oder ohne Spezialbrille anschauen. Hauptsache, „der Film ist gut”.