Start-ups vs. Immobilien

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Start-ups vs. Immobilien
Welches Investment kann ich, wenigstens etwas, beeinflussen?

Welches ist der größte Unterschied zwischen Immobilien- und Start-up-Investments?

Die Chancen-Risiko-Relation! Immobilieninvestments sind vergleichsweise risikoarm und – im Augenblick, jedenfalls im Vergleich zu Festgeld – trotzdem renditestark. Startup -Investments sind riskanter. Dafür bieten sie, wenn sie gut laufen, noch bessere Renditen als Immobilien. Alles klar?

Generischer Chancen-Risiko-Vergleich ist uninteressant

Gegen diesen Vergleich kann man, nein, muss man einwenden, dass er Investments viel zu pauschal typologisiert, um für jemanden, der eine Antwort auf die Frage sucht: ‚Soll ich oder soll ich nicht?‘ hilfreich zu sein. Es ergibt ja auch keinen großen Sinn, Obst mit Fleisch zu vergleichen, weil man beides essen kann oder Autos mit Flugzeugen, nur weil die konkreten Instanziierungen beider „Universalien“, etwa ein Fiat Panda und eine Boeing 737 Max, dem Transport dienen. Auch die Investition in ein Hamburger Zinshaus oder der Kauf von REIT-Papieren sind so verschieden, dass sie nicht sinnvoll mit einem Seed- oder Series C- Start-up-Investment, die ihrerseits wenig miteinander zu tun haben, verglichen werden können.

Andererseits: Es kommt ja vielleicht darauf an, welchem Zweck der Vergleich dienen soll. Unter Chancen-Risiko-Profil-Aspekten würde ich den Immobilien vs. Startup-Vergleich allenfalls für statistisch relevant halten. Und das Ergebnis dieses Vergleichs lässt sich aufgrund offensichtlicher, in der Natur der Vergleichsobjekte liegender Unterschiede, in etwa so, wie im ersten Absatz dieses Artikels festgehalten, vorwegnehmen, ohne dass es notwendig würde, sich der Mühsal einer empirischen Erhebung unterziehen zu müssen. Egal ob wir die Elle der Logik oder die der Statistik/Empirie anlegen: Bezogen auf ein spezifisches Investitionsvorhaben ist der Vergleich unter Risikogesichtspunkten schlicht uninteressant.

Die Liquidität des Investments ist schon relevanter

Wenn ich mich aber weniger für das Chancen-Risiko-Profil und mehr dafür interessiere, wie liquide mein investiertes Kapital ist, macht der Vergleich schon mehr Sinn. Je nachdem, in welcher Phase ein Start-up steckt, ist mein Geld dort über mehr oder weniger viele Jahre fest geparkt und lässt sich, jedenfalls dann, wenn man Secondary Closings und die damit verbundenen Renditenachteile vermeiden will, auch nicht von dort abziehen. Das ist bei einer Immobilie anders: Zwar ist mein Geld auch dort nicht so leicht abziehbar wie bei einer Aktie oder einem anderen öffentlich gehandelten Papier aber sicherlich bekomme ich es leichter zurück als beim versuchten frühen Verkauf eines Startup-Anteils.

Und welchen „Impact“ hat Expertise?

Zeit ist Geld. Auch unter Aufwandsgesichtspunkten könnte ein Vergleich durchaus relevant sein. Welchen Due Diligence-Aufwand ich bei Immobilien und Start-ups betreiben muss, um eine Investitionsentscheidung hinsichtlich persönlicher Auswahlkritierien gut zu treffen, ist dabei vermutlich nicht nur von diesen Kriterien, sondern auch von meiner Erfahrung mit den Investitionszielen abhängig. Klar: Welche anderen Kriterien außer Rendite und Risiko kann es, jenseits sentimentaler Erwägungen, für Investitionen geben? Eigentlich keine. Aber: Wenn ich als kleiner Business Angel die Kosten und zeitlichen Aufwände für umfangreiche Due Diligences umgehen möchte oder abkürzen muss, dann bin ich als jemand, der in seinem Leben eine ganze Menge Start-ups begleitet und großgezogen hat und auch eine ganze Reihe anderer ins Scheitern begleiten musste, bei denen besser aufgehoben als bei Immobilien? Ein Architekt, Bauingenieur, Makler würde dies umgekehrt vermutlich ähnlich sehen. Oder nicht? Jenseits meiner eingebildeten Expertise habe ich ja bei Start-ups den dort besonders angenehmen zusätzlichen Vorteil für faulere Zeitgenossen wie mich, dass dort, anders als im klassischen Private Equity-Umfeld, eine Geschichte des zu analysierenden Unternehmens so gut wie gar nicht existiert.

Da ist wirklich dumm, dass dieses prima facie so einleuchtende Argument empirisch widerlegt zu sein scheint. Der Wirtschaftspsychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman (Thinking Fast and Slow) schreibt dazu: „Die Vorhersagen von Menschen, die sich mit einer bestimmten Materie wirklich gründlich auseinandergesetzt haben und sie zu ihrem Beruf gemacht haben, ist schlechter als die Trefferquote von auf Zielscheiben zielenden Affen. Zwar ist sie bei denjenigen, die sich mit einer Materie etwas besser auskennen, geringfügig besser als bei jenen, die sich mit ihr etwas schlechter auskennen; doch bei denjenigen, die sich wirklich richtig gut auskennen, ist sie häufig weniger zutreffend als bei denen, die sich weniger gut auskennen.“

Wenn das stimmt, woran ich nicht zu zweifeln wage, dann täte ich sicherlich gut daran in Immobilien (mit denen ich mich ein ganz klein wenig auskenne) statt in Währungen, Zertifikate oder ETFs zu investieren (mit denen ich mich überhaupt nicht auskenne); aber in Start-ups sollte ich dann auf jeden Fall gar nicht investieren, weil ich mich ja dort recht gut auskenne? Oder doch?

Vorhersagen sind das eine, Verständnis etwas ganz anderes

Vielleicht doch. Kahnemans Argument betrifft Vorhersagen. Ich sage aber nie voraus, wie gut ein Zielunternehmen nach n Jahren dastehen wird. Schließlich weiß ich genau, dass eine solche Vorhersage bei Start-ups noch weniger belastbar ist als beispielsweise bei Immobilien.

Was Immobilien und Start-ups als Investitionsziele kleiner Investoren verbindet, ist die Real Estate-Weisheit: „Im Einkauf liegt der Gewinn“. Diese Maxime gilt auch für Business Angel und Venture Capital – Investoren. Was beide unterscheidet, ist, dass der Investor, jedenfalls der kleine, bei einem Immobilien-Investment kaum über Möglichkeiten verfügt, die Variablen, die über den Verkaufspreis entscheiden, zu beeinflussen, wenn er sein Investment getätigt hat. Die Standortfaktoren, die Bausubstanz, die Zinsen und der Schweinezyklus entziehen sich seinem Einfluss.

Der Business Angel hingegen hat eine realistische Einflussmöglichkeit, wenn die Dinge nicht so laufen wie gewünscht. Denn dann befinden sich die Gründer im Zweifel in einer Krise und sind bereit, ihren Weg neu zu vermessen. Ein Immobilienobjekt oder -projekt in der Krise verfügt über deutlich mehr träge Masse, mit all den Nachteilen, die daran hängen.

Vernünftige Business Angel investieren nicht in Märkte, nicht in Produkte, nicht in prospektive Product Market Fits und schon gar nicht in Business Pläne. All das kann man zwar analysieren. Nur bringt es fast nichts. Vernünftige Business Angels investieren in Menschen und zwar hoffentlich in solche, die die grundsätzlich nie belastbar prognostizierbaren Produkt-Markt-Dynamiken immer wieder neu zu ihren und zu ihrer Investoren Gunsten antreiben und bei Bedarf auch in eine bessere, neue Richtung lenken können.

Immobilien kann man dafür leichter loswerden als ein Startup – mit Verlust. Doch das sagte ich ja schon.