So unterschiedlich Immobilien-Investments und StartUp-Investments auf den ersten Blick auch erscheinen mögen. In einem Punkt gleichen sie sich bis aufs Haar. Für beide gilt die Faustformel: „Im Einkauf liegt der Gewinn“. Für StartUp-Investments gilt sie beinahe uneingeschränkt. Und dies in zweierlei Hinsicht:
Zum einen bezüglich des Investitionsziels. Und zum anderen hinsichtlich des Beteiligungsvertrags. An dieser Stelle möchte ich nicht paraphrasieren, was viele andere an anderer Stelle schon zig mal mehr mal weniger qualifiziert dargelegt haben[1]. Hier geht es mir ausschließlich um den einzigen wirklich wesentlichen Punkt des das initiale Angel-Commitment besiegelnden Beteiligungsvertrags: Die Pre money Bewertung. Er ist der archimedische, fast alles entscheidende Punkt für den Investitionserfolg – immer vorausgesetzt, die Gründer verstehen ihr Geschäft und die Märkte bleiben ihnen gewogen, immer vorausgesetzt also, der Investor oder die Investorin haben zunächst eine gute Wahl getroffen.
Warum wird der Beteiligungsvertrag gerne unterschätzt?
Gegenüber dem Beteiligungsvertrag dominieren bei Angels drei Haltungen:
- Viele Angels sagen, der Vertrag sei eigentlich nur eine Formalie. Wenn das Investment schlecht laufe und die Gründer nicht voran kommen, sei im Zweifel eh nichts mehr zu gewinnen. Laufe es umgekehrt aber gut, dann seien alle Beteiligten regelmäßig großzügig. Es genüge daher, wenn ein vernünftiger Anwalt einen Vertragsmaster entwerfe und dieser Master dann keine wesentlichen Änderungen mehr erfahre.
- Andere Angels hingegen finden, mit ihrem regelmäßig eher überschaubaren Investment hätten sie gegenüber den Gründern und gegenüber größeren anderen Investoren, Seed VCs zum Beispiel, sowieso keinen Hebel, um ihre Interessen durchzusetzen. Wozu solle man sich da noch groß Gedanken um den Vertrag machen?
- Schließlich meinen viele Angels, der initiale Beteiligungsvertrag werde ja sowieso durch die Folgerunden außer Kraft gesetzt. Was jetzt geregelt werde, sei also später, beim Exit, sowieso Makulatur.
Fatalismus ist verständlich
Alle drei vorgenannten Grundeinstellungen sind im Kern berechtigt. In der Tat: Der Erfolg eines StartUp-Investments hängt natürlich maßgeblich von der Performance der Gründer und dem Glück der Umstände in ihren Märkten ab. Und ja, als Angel hält man im Normalfall nicht genug Anteile, um in signifikantem Umfang wesentliche Mitbestimmungs- oder sonstige Rechte gegenüber den Gründern, der Gesellschaft und gegenüber den Haupt- oder Co-Investoren geltend machen zu können. Und schließlich ist auch richtig, dass zum Zeitpunkt des Exits gegenüber dem ersten Beteiligungsvertrag der Seed-Runde vollkommen andere, maßgeblich vom letzten Investor fixierte vertragliche Regelungen greifen werden.
Dennoch ist dieser Fatalismus deplaziert
Warum ist jede dieser Sichtweisen dennoch falsch? Zum einen trifft keineswegs zu, dass die Co-Beteiligten im Falle eines erfolgreichen Exits Rücksicht aufeinander nehmen. Die Käufer nehmen zwar regelmäßig Rücksicht auf die Interessen der Gründer, jedenfalls dann, wenn diese nach dem Exit übergangsweise noch im Management verbleiben und ergo materiell daran interessiert bleiben sollen, den Erfolg ihrer Gründung auch nach dem Exit aufrecht zu erhalten. Für die übrigen Investoren gilt dies aber keineswegs. Insbesondere andere Angels, die vielleicht gemeinsam einen Vertreter im Beirat stellen dürfen, sind primär an ihrem eigenen Erfolg interessiert. Und hier ist die individuelle Erwartungshaltung jedes einzelnen Angels maßgeblich. Ist der eine mit einem Multiple von 3 auf sein Investment zufrieden, möchte der andere vielleicht einen Multiple von 10. Wie will man da je einen gemeinsamen Nenner finden?
Hier greift dann tatsächlich die zweite vorgenannte Einstellung: Gegenüber dem Seed VC, der vielleicht mit dem 10fachen des je individuellen Angels-Investments einsteigt, hat man eh keinen Hebel. Das trifft zu. Deswegen ist es in der Tat müßig, sich irgendwelche informatorischen oder Mitbestimmungsrechte sichern zu wollen. Es ist viel sinnvoller mit dem Seed-VC „mit zu schwimmen“. Man muss nicht die gleichen Mitbestimmungsrechte wie der Seed VC haben. Die bekommt der Angel ja sowieso nicht. Es reicht vollkommen, wenn der VC seine Rechte nicht zu Lasten des Angels einsetzen kann – und, natürlich, wenn er hinreichend qualifiziert ist.
Solange die Angels und der VC pro Runde die gleichen Liquidationspräferenzen erhalten, ist alles gut. Wenn sich der VC hier gegenüber seinen Co-Investoren mehr herausnehmen will, dann sollte man nicht investieren – denn das ist ein klares Signal für unfaires Spiel und potenziell unfaire Absichten gegenüber den übrigen Stakeholdern dieser Finanzierungsrunde.
Zwar wird man davon ausgehen können, dass bei der Folgerunde, der Series A, eine solche Regelung sowieso wieder außer Kraft gesetzt wird. Aber auch diesem Folgeinvestor wird eine Benachteiligung der Angels und/oder Gründer zu Lasten des Seed Investors sofort negativ ins Auge springen. Eine solche Regelung stellt insoweit auch ein Hindernis für die Folgerunde dar.
Womit wir bei der dritten Position sind: Was am Anfang, im Rahmen der Seed-Runde, geregelt wird, ist zum Zeitpunkt des Exits Makulatur. Diese Position ist in meinen Augen allerdings nur beinahe zutreffend.
Das falsche kleines-Stück-großer-Kuchen-Spiel
Sie stimmt nämlich nicht hinsichtlich der Beteiligungsquote, die wiederum eine Resultante der Pre Money Bewertung ist. Die Pre Money Bewertung ist von enormer Relevanz für den Angel. Und sie wird gerne von den Gründern rhetorisch marginalisiert und außerdem von vielen Angels notorisch unterschätzt.
Denn wenn Gründer mit VCs verhandeln, dann werden sie angesichts ihres Schmerzes über die bevorstehe Verwässerung gerne VC-seitig mit dem Argument vertröstet, das „kleine ihnen verbleibende Stück“ werde das kleine Stück eines „großen Kuchens“ sein. Das sei allemal besser als fast alles an lediglich einem Kuchenkrümel zu behalten.
Natürlich ist das richtig. Allerdings nicht, wenn Gründer mit dem gleichen Argument gegenüber Angels die Retourkutsche spielen. Denn Angels haben ja immer nur und zwar von Anfang an, einen mehr oder weniger großen Krümel. Dieser Krümel wird von Finanzierungsrunde zu Finanzierungsrunde immer kleiner und dagegen können sie rein gar nichts unternehmen, denn sie haben keinen Hebel – weder gegenüber den Gründern, noch gegenüber den Folgeinvestoren.
Warum die investorenfreundliche Pre Money Key ist
Dessen sollte sich ein Angel bewusst sein: Wenn Angels die Pre Money-Bewertung nachlässig angehen, haben sie später wirklich keinerlei Möglichkeit mehr, den nachteiligen Einkauf wieder ungeschehen zu machen. Wahrscheinlich wird sie oder er in den Folgerunden jeweils die Möglichkeit haben, pro rata oder sogar überquotal nachzuinvestieren, um nicht zu verwässern. Doch tatsächlich ist jedes diese Folgeinvestments eine Verwässerung des eigenen ersten Angel-Investments. Wenn die Suppe schon am Anfang eine dünne Brühe war, dann kann der Investor sie nachher nur teuer wieder kräftig machen. Nur ganz zu Beginn bietet sich dem Angel die Möglichkeit, die Gründer mit einer entschiedenen hop oder top, deal oder no deal-Offerte zu konfrontieren. Dass der Angel heute nicht wissen kann, wie groß sein oder ihr Kuchenkrümel morgen sein wird, ist klar.
Aber der Angel sollte wenigstens wissen, wie groß er oder sie seinen bzw. ihren Krümel unbedingt haben möchte – ohne nachinvestieren zu müssen. Ohne persönlichen Erfolgshorizont gibt es keine Messlatte. Sich messbare Ziele zu setzen, dies wird Gründern auch von Angels immer wieder zurecht gepredigt und anhand von Meilensteinen auferlegt. Doch der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Bisweilen habe ich den Eindruck, für viele Angels sei es wichtiger an spannenden Zielunternehmen beteiligt zu sein, als mit ihnen eine angemessene Rendite zu erzielen oder auch nur zu wissen, was sie selbst als angemessen betrachten. Klar, wenn man sich keine Renditeziele setzt, dann kann man am Ende auch nicht enttäuscht werden.
Muss ich in den Folgerunden meine Beteiligungsquote halten?
In der Literatur begegnet Angels häufig die Botschaft, sie sollten unbedingt für Folgeinvestments Geld beiseitelegen. Wenn sich das Investment als Glücksfall entpuppe, sei es doch schade, wenn man seine Quote nicht halten könne. Falls es floppt, müsse man ja nicht nachlegen. Außerdem benötige das angelfinanzierte Startup für die Ermöglichung der Folgerunden den „Vertrauensbeweis“ der Bestands-Angels – eben in Gestalt der Bereitschaft, noch einmal pro rata nachzulegen. Diese Argumentation halte ich persönlich für abwegig. Als Seed-Investor gehe ich mit meinem Investment bezogen auf den Investitionserfolg ein deutlich größeres Risiko ein, als die Series A- oder noch spätere Investoren. Dieses Risiko hat seinen Preis. Punkt. Ich möchte nicht, sozusagen moralisch, zu Folgeverwässerungen angehalten werden. Rentabler sind für mich spätere Investments in andere Seed-Targets.
Ausnahme Sondersituationen wie Corona
Zu jeder Regel gibt es eine oder mehr Ausnahmen. Wenn mein Zielunternehmen aufgrund einer vollkommen unerwartet schwierigen Marktsituation, wie sie gegenwärtig beispielsweise Corona für sehr viele Unternehmen, auch StartUps, darstellt, konfrontiert wird und daher ungeplante Folgeinvestments und staatliche Notfallschirme notwendig werden, zu deren Voraussetzungen zählt, dass die Bestandsinvestoren zu einem bestimmten Anteil des Gesamtinvestments bzw. der Gesamthilfe mitgehen, dann werde ich nicht den Spielverderber abgeben und „mein“ StartUp in die Pleite laufen lassen wollen, insofern ich weiter Vertrauen in seinen Erfolg habe. Doch eine solche Corona-Situation ist nicht der Regelfall.
Wie lässt sich eine gute Pre Money-Bewertung für Angels durchsetzen?
Was ist eine angemessene Pre Money-Bewertung? Auf diese Frage gibt es selbstverständlich keine Antwort. Keine der bekannten Bewertungsmethoden ist je für sich genommen belastbar, weil niemand weiß, wie das Unternehmen, seine Gründer und/oder Manager und seine Märkte morgen performen werden. Abdiskontierte Zahlungsströme, Betafaktoren und Multiples möchten das große Rätsel des unbekannten Morgen mathematisch verpacken und bestimmt aussehen lassen. Aber die Zukunft ist und bleibt ein Rätsel – und zwar mit oder ohne „schwarzem Schwan“.
Darüber hinaus kommt es für den Angel weniger auf eine im Grundsatz aus dem vorstehend genannten Grund gar nicht mögliche „angemessene Bewertung“ an. Für ihn als Partner am Verhandlungstisch ist nur die beste Bewertung gut genug. Um eine beste Bewertung zu erreichen, benötigt der Angel einen langen Hebel. Den hat er nur, wenn es für das Startup zu seinem Investment keine Alternative gibt. Die gibt es aber fast immer für gute Zielunternehmen.
Die beste Methode für Angels, die beste Bewertung durchzusetzen ist aus meiner Sicht, sich an einen VC „dranzuhängen“, dessen Investitionszusage für das Startup und seine Gründer wirklich key ist. In diesem Fall werden die Gründer zu Konzessionen bereit sein, zu denen sie gegenüber einem Angel nie bereit sein würden – beispielsweise, weil sie sich von dem Seed VC eine gute Ausgangslage für Folgerunde versprechen. Für Angels hat dieses Dranhängen den weiteren Vorteil, dass sie sich nicht selbst um die aufwändige und immer auch lästige Due Diligence und Vertragsgestaltung kümmern müssen. Skrupel, übrigens, sollte der Angel nicht haben. Sehr gute StartUps bzw. Gründer sind immer in einer starken Verhandlungsposition – auch gegenüber VCs. Die Zeiten, in denen sie von „bösen VCs” über den Tisch gezogen wurden, sind längst vergangene Zeiten.
Orientierungsrahmen ist trotzdem hilfreich
Trotzdem ist es für Angels wichtig, siehe oben, einen Orientierungsrahmen zu haben, anhand dessen sie ihr StartUp bewerten können. Der Superlativ „beste Bewertung” hilft nicht viel, wenn man nur komparativ zwischen alternativen Bedwertungen jonglieren kann. Angels sollten sich ja Renditeziele setzen. Ein solcher Orientierungsrahmen sagt zwar nichts über den tatsächlichen ungefähren Zukunftswert meines Investments am Tage des Exits aus. Aber er sagt schon etwas darüber aus, wie andere Player das Unternehmen heute im Vergleich zu anderen Investitionszielen heute beurteilen.
Ein solcher Rahmen vermittelt mir außerdem ein gutes Gefühl, wenn sich der VC, an den ich mich „drangehängt“ habe, mit der von ihm durchgesetzten pre money-Bewertung, substanziell unterhalb dieses Rahmens oder mindestens im unteren Bereich dieses Rahmens bewegt. Es gibt mehrere Anbieter von StartUp-Bewertungssoftware. Ich für meinen Teil arbeite gerne mit dem Tool von pwc, das sehr flexibel hinsichtlich der Gewichtung der marktüblichen Bewertungsansätze DCF, Scorecard, Multiples sowie komfortabel und leicht in der Cloud zu bedienen ist, laufend aktualisiert und verbessert wird und optisch ein sehr attraktives pdf-Ausgabeformat bietet, mit dem man sowohl gegenüber den Gründern, als auch gegenüber möglichen Co-Investoren Eindruck schinden kann.
Fazit
Für den Investitionserfolg von Angels sind zwei Punkte entscheidend, die allein in der Hand der Angels liegen: Eine glückliche bzw. gute Hand bei der Wahl ihres Targets und eine best mögliche pre money-Bewertung. Beide Punkte liegen in der ausschließlichen Entscheidungsgewalt des Angels. Viel mehr entscheiden kann er je Investment auch gar nicht.
Eine sehr gute Beteiligungsquote kann mir selbst bei einem mittelmäßig performenden StartUp eine sehr attraktive Rendite bescheren. Ein bescheidener Anteil dagegen kann mir den Spaß selbst bei einem sehr gut performenden StartUp gründlich verderben. Denn das gute StartUp wird mit hoher Wahrscheinlichkeit große Folgefinanzierungsrunden hinlegen, die meinen Anteil an diesem StartUp pulverisieren!
Um sein Mindestziel durchzusetzen, sollte sich der Angel des längeren Hebels eines VCs als Hauptinvestor bedienen. Das bietet ihm etwas Sicherheit, auch Vertragssicherheit, erspart Due Diligence-Mühe und bietet mit hoher Wahrscheinlichkeit eine seine Mindesterwartung übertreffende, also niedrigere pre money Bewertung als die von ihm selbst angepeilte. Dieser Beteiligungsvertrag muss dann nur noch von einem vertrauenswürdigen Anwalt geprüft aber nicht mehr aktiv vom Angel selbst verhandelt werden.
[1] https://www.businessinsider.de/gruenderszene/allgemein/beteiligungsvertrag-finanzierungsrunde/