Die Binnen- und die Außenperspektive:

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Einige grundlegende Überlegungen zur Besetzung und Satzung von StartUp – Beiräten

Die Binnen- und die Außenperspektive:
Die Binnen- und die Außenperspektive:

In meinen Dealings mit StartUps einerseits, VCs andererseits, kommt immer wieder die Unterschiedlichkeit der Perspektiven, der Binnenperspektive (Gründer) und der Außenperspektive (VCs) zum Tragen. Erstere sehen den eigenen Case als Subjekte. Gründerinnen bzw. Gründer verschmelzen gewissermaßen mit der Rechtsperson ihres StartUps. Letztere sehen immer unzählige Vergleichsfälle, also Objekte. Sie nehmen jedes StartUp als Einzelfall in einer langen Reihe mehr oder weniger vergleichbarer anderer Einzelfälle wahr. Und wo stehen Business Angels? In der Regel ziemlich genau in der Mitte.

Sie sind, zumal wenn es sich um ehemalige Gründerinnen oder Gründer handelt, näher an der Gründerperspektive als an der des Investors. Sie vergleichen eher mit ihren eigenen Unternehmer-Erfahrungen als mit ihren Investorenerfahrungen, zumal sie, Super Angels einmal ausgenommen, in deutlich weniger StartUps investiert sind als VCs. Trotzdem bleiben sie natürlich im Vergleich zu den Gründern Außenstehende. Und sie haben, wie VCs, primär ein Renditeinteresse oder sollten dieses als gute Angels haben.

Interessenskonflikte der Gesellschafter-Stakeholder sind unvermeidlich

Treffen die Subjekt- und die Objektperspektiven bei Gesellschafterversammlungen, Reporting-Terminen oder in Beiratssitzungen aufeinander, dann sind etwaige Konflikte in erster Linie diesen unterschiedlichen Blickrichtungen geschuldet. Vordergründig geht es natürlich allen Beteiligten um die Sache. Tatsächlich liegen kontrovers ausgetragenen Sachargumenten meist schlicht unterschiedliche Perspektiven, also nicht einmal unterschiedliche Interessen zugrunde. Das zu erkennen ist sinnvoll und wichtig – vor allem wenn es gilt, Beiräte funktionsfähig zu struktieren.

So sind Gründerinnen und Gründer in den meisten Fällen – mangels intern vorhandener Vergleichs-Maßstäbe – (zu?) optimistisch, VCs dagegen regelmäßig (zu?) pessimistisch. Investoren kennen aus eigener Investorenerfahrung einfach mehr Misserfolgs- denn Erfolgsgeschichten. Aufgrund dieser Erfahrung halten sie es für überflüssig, Zeit in eine allzu tiefe Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls zu investieren, zumal sie diese Zeit schlicht nicht haben. Investorenseitig fallen dann Sätze wie: „Das haben wir schon 100.000 Mal gesehen, das geht immer schief”. Und die Gründer denken sich: „Was quatscht der/die da schon wieder, der/die sollte sich erst mal die Mühe machen, unser uniques Produkt, unsere ganz besondere Marktstellung und Marktchance, unser singuläres Geschäftsmodell wirklich zu verstehen!“

Recht haben beide Seiten

Beide Einstellungen haben ihre Berechtigung. Wenn Investoren sagen: „Das haben wir schon 100.000 Mal gesehen…“, dann ist das vielleicht rhetorisch übertrieben, wird aber im Kern zutreffen. Nur: Es gibt nicht 100.000 Unicorns.

Was 99.999 Mal von außen gesehen falsch oder voraussichtlich nicht zielführend aussehen mag, könnte in dem einen „Sonderfall“ dieses einen Gründerteams aus welchen Gründen auch immer – Teamerfahrung, besondere Marktsituation, Produktfacette usf. – goldrichtig sein. So sehen es die Gründer. Und tatsächlich wissen wir ja, dass Bill Gates, Steve Jobs und Steve Wozniak, Larry Page und Sergej Brin, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Elon Musk und all die anderen nicht ganz so prominenten Erfolgreichen nicht dahin gekommen wären, wo sie heute stehen bzw. stehen würden, wenn sie noch lebten, hätten sie dem Rat ihrer Investoren Folge geleistet.

Umgekehrt wissen wir aber auch, dass viele andere Gründer gut beraten und wesentlich erfolgreicher gewesen wären, hätten sie den Rat ihrer Investoren beherzigt. Dummerweise weiß man halt immer erst hinterher, wie zielführend eine Entscheidung, wie gut ein Ratschlag war. Die Subjekt- und die Objektperspektive können also in einen prinzpiell nicht lösbaren Konflikt münden, der auf Außenstehende der Eindruck von Sachargumenten macht, für die es immer Gegenargumente gibt. In so einer Situation die Länge des Kapitalhebels entscheiden zu lassen ist ebenso unklug, wie blind den Gründern zu folgen.

Gleichgültig wie kapitalstark Interessen vertreten werden: Die Patt-Situation ist immer die gleiche

Wie geht man in einer solchen Patt-Situation, die immer die gleiche Patt-Situation ist, egal wie die Mehrheitskonstellation aussehen mag, vor? Es ist zwingend, dass die Gründer aus Überzeugung ihren Weg gehen: Gegen den längeren Kapitalhebel der Investoren kommen die Gründer nicht an. Doch egal wie komfortabel deren Machtposition kapital- und satzungsmäßig gepolstert sein mag: Investoren haben nichts davon, wenn die Gründer widerstrebend, halbherzig und schlecht das umsetzen, was die Gesellschaftermehrheit beschlossen hat.

Es gilt, auch wenn das jetzt abgeroschen klingt, einander zuzuhören und sich dafür Zeit zunehmen und zwar so lange, bis man die Gegenseite verstanden hat und deren Argumente übernimmt oder die Gegenseite von den besseren eigenen Argumenten überzeugen konnte. In seltenen Ausnahmefällen ist vielleicht auch ein Mittelweg eine Lösung. So oder so, braucht es dafür Zeit, die niemand hat. Daher sind gute Beiräte ein Segen.

Ein guter Beirat ist im Perspektiven-Patt ein Segen

Das Einsetzen eines Beirats mit mächtigen Entscheidungskompetenzen mag auf den ersten Blick wie ein unnötiger oder gar kontraproduktiver bürokratischer Akt aussehen. Tatsächlich verschlankt und beschleunigt er aber Entscheidungsprozesse und zwar gerade dann, wenn sich die oben beschriebenen Konfliktlinien auftun. Und, ganz ehrlich: Latent finden wir die bei jedem StartUp. Entscheidend ist allerdings dass es ein guter Beirat ist und das bedeutet vor allem: Ein gut besetzter und ein gut organisierter Beirat.

Drei Grundprinzipien sind Key

Wie sollte ein Beirat zusammengesetzt sein? Und welche Satzung sollte er sich geben? Dazu drei simple Grundprinzipien aus eigener Erfahrung, die die oben dargestellte Grundkonstellation der Innen-Außen-Perspektiven reflektieren.

  1. Eine repräsentative Interessenvertretung ist überflüssig: Für den Erfolg eines StartUps und seiner Investoren ist nicht entscheidend, wie repräsentativ die unterschiedlichen Gesellschafterinteressen relativ zu ihrem Gewicht im Beirat vertreten sind. Entscheidend ist nur, dass sie überhaupt vertreten sind: Ein Gründervertreter, ein VC-Vertreter aus jeder Finanzierungsrunde und ein Business Angel-Vertreter reichen aus.
    Wenn der Gründervertreter nicht das Vertrauen seiner Gründerkolleginnen oder -kollegen genießt, dann ist sowieso etwas faul darin. Er oder sie wird sich außerdem sowieso intern absprechen müssen.
    Was VC (oder auch Family Offices oder CVCs) anlangt: Sie haben aufgrund unterschiedlicher Liquidationspräferenzen je Finanzierungsrunde unterschiedliche Interessen und müssen daher jeweils mitentscheiden dürfen. Es genügt aber, wenn aus jeder Runde einer am Tisch sitzt.
    Angels schließlich eignen sich aufgrund ihrer Übersetzerqualitäten gegenüber Investoren und Gründern als „Mediatoren“.
  2. Sie können sich am Besten in beide Interessenlagen hineinversetzen. Dabei geht es in aller Regel nicht um tatsächliches Moderieren. Es geht lediglich darum, die Argumente beider Seiten als valide Argumente im Raum zu belassen, ihnen also durch die Angels jeweils mehr Gewicht und Akzeptanz zu verleihen. Damit das aber möglich ist und nicht in unendiche Debatten ausartet, sollte der Beirat klein sein. Dazu gleich mehr.
  3. Einstimmigkeit: In der Satzung des Beirats sollte die Einstimmigkeit der Vertreter als Voraussetzung einer Entscheidung fixiert werden. Wie oben geschildert, führt eine Entscheidung gegen die Gesellschaftermehrheit genauso wenig zum Ziel wie eine Entscheidung gegen die Gründervorstellungen.
  4. Je kleiner, desto besser: Damit möglichst rasch und effizient einstimmig entschieden werden kann, sollte das Gremium so klein wie nur irgend möglich besetzt werden. Zeit ist überall Mangelware, doch es ist wichtig, dass sich die „von drinnen“ und die „von draußen“ wirklich zuhören, dass sie einander überzeugen wollen und können und nicht versuchen, die andere Seite zu überreden. Je kleiner das Beiratsteam, desto einfacher ist das im Konsens machbar.

    Gegen dieses Argument spricht, dass ein maximal kleines Beiratsteam unmöglich sämtliche Expertisen versammeln kann, die für immer wieder gute Entscheidungen erforderlich sind. Doch anders als das Etikett „Beirat“ nahelegt, sind StartUp-Beiräte Entscheidergremien und nicht Beratschlagungsorgane. Seit wann müssen Entscheider Experten sein? Für die Expertise lässt sich im Gesellschafterkreis oder auch von außen für jede Einzelfrage im Bedarfsfall auf Neue Unterstützung holen.

Damit möchte ich es bewenden lassen. Es gibt sicherlich viele weitere gute, satzungsübergreifende allgemeine Prinzipien für Beiräte. Doch die obigen sind aus meinen vielen Jahren Aufsichtsratstätigkeit für börsengelistete und -notierten StartUps die entscheidenden.