Immer positiv denken?

jvhNew articles

Immer positiv denken?
Immer positiv denken?

Wer sich im Startup – Ökosystem bewegt, ist gut beraten entweder ein „positiv Denkender“ zu sein oder dies für sich in Anspruch zu nehmen. Wer positiv eingestellt ist, gehört zu den Guten.

Grundsätzlich ist positives Denken tatsächlich ein ebenso sympathisches wie nutzbringendes Verhalten.
Es ist sympathisch, weil zumal uns Deutschen die wenig sympathische griesgrämig-dauerpessimistische Grundhaltung näher liegt. Wer meckert und mosert, macht sich keine Freunde.
Es ist nützlich, weil auch begründete Kritik nutzlos oder nutzenarm bleibt, wenn es beim Mosern bleibt und keine Alternativen für bessere Argumente oder Methoden vorgebracht werden können.

Naiver Optimismus ist für Gründer gesund

Das Geschäft des Neugründens von Unternehmen ist ein schwieriges Geschäft. Es gilt nach wie vor die statistische Regel, dass sich VC-Investoren bei einem Exit nach ca. 7 Jahren seit ihrem initialen Investment nur bei einem von 10 Startups über einen Multiple von 10x oder mehr freuen dürfen, während 5 andere Startups dieses Investors mehr oder minder im Totalverlust für alle Beteiligten enden und die verbleibenden vier lediglich das investierte Kapital zurückbringen.

Weil Gründen so schwierig und mühselig ist, ist es wichtig, dass Gründerinnen und Gründer über viel positive Energie, Optimismus, Resilienz, Ausstrahlung und Charisma verfügen. Schließlich gilt es gerade in schwierigen Phasen oder Zeiten sich selbst aufzurichten und dann auch noch Kunden, Mitarbeiter, Partner und natürlich auch Investoren „mitzunehmen“, um eines Tages Erfolg zu haben. Diese Haltung ist keine hinreichende aber sicherlich eine notwendige Erfolgsvoraussetzung für Gründer.

Risiko-Investoren sind grundskeptisch und sollten es auch sein

Startup-Investorinnen und Investoren und damit auch VCs sind in einer anderen Lage: Gerade weil sie schon so viele Misserfolge gesehen haben, tendieren sie aus Prinzip zu einer „negativen“ Grundskepsis gegenüber Gründungsvorhaben. Sie sehen vor allem das Haar in der Suppe: Schwierige Märkte, fragwürdige Geschäftsmodelle, zweifelhafte Personalkonstellationen usf.. Die Skepsis, zumal wenn sie, was gar nicht so selten geschieht, sarkastisch oder zynisch daher kommt, wirkt unsympathisch und kann auf Gründerinnen und Gründer demotivierend wirken.

Allerdings ist sie für den Erfolg der Investoren ebenso key, wie dies ein naiver Grundoptimismus für Gründerinnen und Gründern ist. Letztere müssen sich zu Beginn ihres Abenteuers einen naiv grundierten Optimismus leisten dürfen, weil dieser Feuer entzünden hilft. Risiko-Investoren können sich diese Naivität nicht leisten. Gründer sind am Ende des Tages vor allem „Macher“. Risiko-Investoren sind in erster Linie „Denker“.

Atmosphärische Störungen sind im Startup-Ökosystem klimainhärent

Wenn fröhliche Hochs auf zaudernde Tiefs treffen, kann es zu atmosphärischen Turbulenzen kommen. Diese sind dysfunktional, weil sie von der Sache ablenken. Allerdings stehen Gründer ständig vor schwierigen Herausforderungen, und in der Puppenstube des Dialogs mit Investoren können und sollten sie sich zu allererst beweisen. Wenn der Optimismus und die Argumente der Gründer nicht einmal die Skepsis ihrer Investoren durchdringen können, wie sollen sie dann in der Lage sein Mitarbeiter mitzureißen, Partner zu überzeugen, Kunden zu gewinnen?

Investoren müssen nicht lieb sein

Daher ist es kein Must für Investoren, als Motivations-Coaches ihrer Gründerinnen und Gründer zu wirken. Ich teile die weit verbreitete Sichtweise nicht, Startup-Investoren müssten Buddies und Coaches ihrer Schützlinge sein, denn die Welt da draußen ist hart und das Holz zum Feuermachen und Wärmen müssen sie schon selber suchen und finden. Ich sehe schwierige Investoren aus der gleichen Perspektive, mit der ich auf staatliche Bürokratie blicke, die ebenfalls zu den Ärgernissen der hiesigen Gründerinnen und Gründer zählt. Selbstverständlich möchte auch ich keinem überbordenden Bürokratismus das Wort reden. Doch wie schon an anderer Stelle wiederholt gesagt: Wer schon vor dem Papierkram in die Knie geht, wie soll der oder die dann ein Einhorn auf die Beine stellen?

Social Media als Wattepaket für’s Öko-System

Schauen wir uns an, wie in der Startup – Szene gepostet wird – wir reden damit in erster Linie über linkedIn – dann sehen wir dort vor allem, wie doll wir uns alle lieb haben und wie toll jede und jeder alle anderen, wirklich alle, findet – durch die Bank weg. Natürlich liegt diesem wunderlichen Phänomen der social media – inhärente Need zugrunde, mit eigenen Beiträgen möglichst hochfrequent auf hoch gestreckte Däumchen, rote Herzchen, klatschende Händchen und lobende Kommentarchen zu treffen.

Es gilt die Regel der Social Responsiveness: Bist Du lieb zu mir, dann bin ich lieb zu Dir. Es geht dabei allerdings überhaupt nicht um das, was da gelobt und gelikt wird als vielmehr darum, überhaupt sichtbar zu sein, wahrgenommen zu werden. Es geht um Awareness. `Content is king‘ war gestern.

Dagegen vorgehen zu wollen hieße gegen Windmühlen kämpfen zu wollen. Dennoch ist es lohnend, im vorstehenden Kontext der Sucht oder Suche nach maximaler Zustimmung, (notfalls auf dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ 😉) darauf hinzuweisen, dass diese Wattepakete nicht unbedingt eine höhere Schule für Resilienz und Krisenfestigkeit darstellen.

Wenn es im wirklich anspruchsvollen Gründungsgeschäft bei der digitalen Interaktion zwischen ihren Protagonisten notgedrungenermaßen nur noch darum geht, über wechselseitiges Lob und wechselseitige Zustimmung wahrnehmbar zu sein, zu bleiben oder zu werden, dann bleibt bei dieser Interaktion über kurz oder lang die Intelligenz auf der Strecke. Vielleicht sucht sie sich dann eine neue Nische und macht Social Media als Kommunikationsmedium in unserer Szene obsolet.

Das wäre schade. Denn im Netz lassen sich hervorragend Argumente austauschen. Wenn so ein Austausch öffentlich stattfindet, motiviert er vor dem Publishing das Verfasste sorgfältig zu prüfen und erlaubt anschließend eine schnelle Validierung, Schärfung oder Korrektur eigener Meinungen, Standpunkte oder Hypothesen. Setzen wir dagegen von vornherein nur auf maximale Zustimmungswerte, dann blasen wir auch von vorneherein nur in bunte Luftballons.