Warum Apple TV+ den Amateur mimt und was sich daraus für StartUps lernen lässt (1/3)

jvhNew articles

Quote from The Economist, 07 January, 2022

Am Wochenende las ich im Economist einen wirklich sehr interessanten, gut geschriebenen und gut recherchierten Artikel zu der Frage, wieso Apple – mit seiner inzwischen rund 3 Billionen US-Dollar schweren Marktkapitalisierung das größte Unternehmen der Welt – zwar mit Apple TV+ im Film- und Streaming-Markt mitspielt, dort, mutmaßlich mit Absicht, eine sehr halbherzige, unentschlossene, beinahe amateurhaft wirkende Figur abgibt.

Der Beitrag schildert zunächst, wie Apple in einem Werbespot selbstironisch den bekannten US Comedian Jon Stewart zu schwermütig  – getragenem Violin – Sound mit großem Ernst fragen lässt: „Jedes Jahr verstreichen ungesehen tausende Stunden hochwertigen Fernseh – Contents, weil gute, hart arbeitende Menschen nicht wissen, wie sie Apple TV+ finden können.“

Warum macht Apple das?

Der Beitrag, der auch vom manager magazin im englischen Original präsentiert wird, dort allerdings mit einer zum Content des Beitrags wenig passenden deutschen Subline und einem inhaltlich noch weiter wegführenden Teaser versehen wurde, gibt drei komplementäre, sehr überzeugende Antworten:

  1. Die FTC, die zuständige amerikanische Kartellbehörde mit der Anti – FAMGA Heroin Lina Khan als neuer Chefin, ist heiß auf Monopolisten-Macht-Missbrauchs-Spuren. Die FTC schaue sich gerade an, ob der Kauf von MGM (Metro-Goldwyn-Mayer) durch Amazon für schlappe 8,5 Mrd. US Dollar mit rechten Dingen zugegangen sei, sagt Julia Alexander von Perrot Analytics. Apple sei ja schon als potenzielle Käuferin kleiner Studios wie Lionsgate oder großer wie Disney im Gespräch gewesen. Da mache es sich gut, wenn der Konzern den Kleinen, Unbedeutenden, im Film- und TV-Markt beinahe amateurhaft Handelnden markiere. Apple könne nicht daran interessiert sein, durch den Kauf eines großen Studios oder einer Filmbibliothek den ungnädigen Blick der FTC auf sich zu lenken.
  2. Film ist nicht Apples Kerngeschäft. Der globale Musikdaten – Markt hatte in 2020, ohne China, ein Volumen von rund 22 Mrd. USD, weniger als Apple im selben Jahr allein mit dem Verkauf von iPads verdiente. Streaming Abos mit Filmen könnten die Kunden nicht so stark an Apple binden, wie ein iTunes-Abo dies anno dazumal noch vermochte. Der lock-in Effekt sei für Apple zu schwach. Das Gros der Apple Mediendienste sei inzwischen eh auf allen gängigen Plattformen verfügbar. Deswegen habe Apple in 2021 nur 2 Mrd. USD für Film und TV ausgegeben, Amazon dagegen 9 und Netflix gar 14 Mrd..
  3. Die beiden vorstehenden Antworten erklären aber nicht, wieso Apple überhaupt in diesem Markt mitmischt. Diese Frage und der, wie geschildert, selbstironische Umgang Apples beim halbherzigen Angriff auf die angestammte Territorien der “Old-media firms” hätten letztere vor ein veritables Rätsel gestellt.

    Die entscheidende Antwort liegt, sagt der Economist, in dem Skalen – Format von Apples iPhone-Verkäufen, das sich in einer für die Streaming-Wettbewerber sehr fernen Welt bewege. Die aus Apples Brille gesehen sehr überschaubaren Investitionen in Film-Content, Studios und Shows rechneten sich, weil es so gelingt, wenigstens einen kleinen Teil der iPhone-Kunden von einer Abwanderung zu Android-Geräten abzuhalten, sagt der ehemalige Spotify-Manager Nick Lightle. Schließlich würden auch die iPhone-Endgeräte meist im bzw. als Abo vertrieben.

    Hinzu komme, neben diesem vertrieblichen, ein nicht ganz unwesentlicher, vielleicht entscheidender Marketing-Effekt: Wer Filme mit Big Names wie Steven Spielberg und Tom Hanks produziere und eine sympathische auf mehrere Jahre angelegte Zusammenarbeit mit der pakistanischen Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai auf Apple TV+ anbiete (der bzw. die jüngste Nobelpreisträger/in, die es je gab), der wirke nicht nur jung und cool, sondern außerdem gemeinwohlinteressiert. Auch die Eltern der FTC-Chefin Lina Khan stammen aus Pakistan. Womit wir zurück bei Punkt 1 wären.

Nur noch einmal für den Skalenvergleich: Einerseits macht der iPhone-Umsatz rund 50 Prozent des derzeitigen jährlichen Apple-Gesamtumsatzes aus. Andererseits – wie gesagt: Der monatliche Umsatz Apples nur aus dem Verkauf von iPads (nicht: iPhones) entspricht dem Jahresgesamtvolumen des globalen Musikdatenmarktes (minus China). Apple TV+s Einkaufsbudget beträgt ca. 0,6% seines Jahresumsatzes, schätzt ein Silicon Valley VC-Insider. “Peanuts!”

“Nicht jeder” könne sich halt ein Filmstudio als PR – Arm leisten. Eine 3 Billionen schwere Bude könne es schon. Warum aber Apples TV+ – Strategie auch und gerade aus Gründerperspektive, interessant und lehrreich ist, dort, wo Marktführerschaft noch ein Versprechen und Milliardenumsätze eine ferne Hoffnung sind, möchte ich in den beiden kommenden Blog-Beiträgen beleuchten.