Business Angels machen auch nicht alles richtig

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Business Angels verlieben sich oft in “ihre” Start-ups und lassen diese Ballons selbst dann noch fliegen, wenn dies keine gute Idee ist

Mein letzter Post hat mir einige – berechtigte – Kritik eingetragen. Bevor ich in der nächsten Woche mit der sowieso geplanten Selbstkritik beginne, möchte kurz auf die wesentlichen Kritikpunkte eingehen, die ich sinngemäß kursiv widergebe:

  1. Es stimmt doch gar nicht, dass VCs immer so vorgehen, wie Du es karikierst. Bei uns werden auch bei der ersten Vorauswahl unterschiedliche Hierarchien und vor allem unterschiedliche Berufsgruppen eingebunden, damit uns kein Dickfisch durch die Lappen geht.“

    Meine Antwort:

    Absolut richtig! Aus diesem Grund habe ich der englischen Fassung meines letzten Posts eine Entschuldigung bei allen VCs, die smart scouten, angefügt. Das werde ich jetzt rasch auch für die deutsche Fassung nachholen 😊. Zu diesen smarten zähle ich u.a. den HTGF in Bonn, in Berlin die Rheingau Founders und Project A Ventures, Earlybird VC in München und noch einige weitere. Acceleratoren und Inkubatoren habe ich nicht thematisiert. Es gibt also durchaus VCs, die sehr intelligent vorgehen und einen guten Mix aus Lebenserfahrung, Berufserfahrung und Fachexpertise bei der Beurteilung ihrer Leads und potenziellen Leads an den Tag legen.

    Mir liegt überhaupt nicht daran, auf Kosten der VCs Angels in den Himmel zu loben. Mir ging es vor allem darum, das strukturelle Problem in der Folge des Deal Flow-Drucks, das tendenziell zu einer Priorisierung von Masse zu Lasten von Qualität führt, kenntlich zu machen. Dabei habe ich bewusst von löblichen Einzelfällen abgesehen.

    Außerdem gibt es natürlich auch einige wenige Fonds, die um das Geld der LPs nicht mehr kämpfen müssen, weil sie in der Vergangenheit sehr gut performt haben. Allerdings gilt hier: Schwierige Zeiten wird jeder VC über kurz oder lang erleben. Auf die gute Nase seiner Analysten allein kann sich ein Fonds allein nicht verlassen

  2.  „Du behauptest, Angels würden besser als VCs scouten, weil sie über mehr praktische Berufserfahrung verfügten als VC-Analysten. Gleichzeitig erkennst Du aber an, dass auch VCs bei ihrer Leadakquise Business Angels einbinden. Wie passt denn das zusammen?“

    Meine Antwort:

    Dass VCs (genauso wie Family Offices und sonstige institutionelle Startup-Direktinvestoren) gerne auch Business Angels in ihre Target-Akquise einbeziehen ist in der Tat für alle Beteiligten sinnvoll.

    Das von mir geäußerte zentrale Problem der VCs ist ein anderes: VCs müssen gegenüber ihren LPs Analysemengen und Filterquoten dokumentieren. Das führt auf der ersten Filterebene zu einer natürlichen Priorisierung von Masse und einer Vernachlässigung von Qualität. Das liegt nicht an irgendeinem Unvermögen der Analysten, sondern schlicht daran, dass die Zeit für eine sorgfältige, qualitätsorientierte Vorauswahl kaum vorhanden ist.

    Daher werden formale Zugangsvoraussetzungen für eizusendende Businesspläne, Pitch Decks usf. definiert. Die Leads sollen sich also selbst „zensieren“, bevor sie die VCs adressieren. Das spart zwar Zeit, doch diese Selbstzensur kann eben nur eine formale und keine inhaltliche sein.

    Ich kenne Startups, die zunächst schlechte Businesspläne bereithielten, dafür aber ein geniales Geschäftsmodell, ein Spitzenteam und eine bahnbrechende Technologie in petto hatten. Die wären sofort aus dem Filter geworfen worden.

  3. „Deine Behauptung, die jungen Analysten der VCs hätten zu wenig Expertise ist eine sehr steile These. Bei allem Respekt vor der Seniorität gestandener Ex-Unternehmer, die sich als Business Angels betätigen: Dass die ein besseres Verständnis digitaler Geschäftsmodelle und agiler Geschäftsprozesse haben oder einen direkteren und besseren Zugang zu jungen Gründern, darf bezweifelt werden.“

    Meine Antwort:

    Natürlich ist nicht jeder im Digital Business aktiver Business Angel MVP-erfahren, ein Crack in Sachen Kanban und ein Peer sehr guter Developer.

    Genau das muss er aber auch nicht sein, auch wenn das ganz sicher nicht schadet.

    Tatsächlich ist genau das aber i.d.R. auch ein gerade graduierter BWLer nicht, denn gerade das Erkennen gut funktionierender Geschäftsprozesse, sehr gut entwickelter und dokumentierter Skripts oder Makros oder Algorithmen oder  zielführenden Prototypings und Testings braucht jahrelange Berugserfahrung.

    Es ist nicht so entscheidend, auf den Wellen der Hypes auf Smalltalk-Niveau mitsurfen zu können. Entscheidend ist, die Qualität der Wellen und die Qualität der Surfer aus eigener Erfahrung und gegebenenfalls mit Unterstützung von dedizierter Fachexpertise, die sowohl Angels als auch VCs in ihren Beibooten mit sich führen sollten, beurteilen zu können.

    Und am Ende des Tages, hier wiederhole ich mich, ist die Qualität des Startup-Teams, also der Gründer und der hoffentlich wirklich hinter ihnen stehenden Kollegen, das Alpha und Omega eines funktionierenden Start-ups. Bei dieser Qualität kommt es wesentlich auf das Zusammenspiel der im Team vorhandenen weichen Qualitäten und Defizite an. Zu deren Beurteilung benötigt man Berufs- und Lebenserfahrung, auch und besonders Erfahrung des Scheiterns. Und die hat ein vielversprechender Hochschulabsolvent hoffentlich nicht schon allzu ausgeprägt hinter sich.