Wer die Macht hat, hat die Technik

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Demokratische Systeme haben beim KI-Roll-out gegenüber autokratisch regierten Volkswirtschaften keine Chance

Das Beispiel Autonomes Fahren

Wer die Macht hat, hat die Technik
Je schneller öffentlich genutzte Systeme definiert und implementiert weden können, desto größer wird der technologische Vorsprung derjenigen sein, die dies leisten

Heute geht es am Beispiel des autonomen Fahrens um eine Beantwortung der Frage, warum China (und vielleicht sogar eines Tages Russland) in Sachen Technologieentwicklung den Rest der Welt abhängen und führend sein wird. Dies hat nicht viel mit Know–how und Bildung aber viel mit Geschwindigkeit zu tun.

Wie lässt sich autonomes Fahren oder besser, autonom regulierter Verkehr, beschreiben? Vergleichen wir es mit anderen Anwendungsfällen künstlicher Intelligenz: Einerseits mit der autonomen Fabrik und der Logistik, andererseits mit der Medizin, Kredit- und Versicherungswirtschaft.

Im erstgenannten Umfeld geht es um das Herstellen eines funktionsfähigen autonomen Systems, in den letztgenannten Fällen um die Abwendung und Vorbeugung von bzw. vor Störungen bereits existierender mehr oder weniger funktionstüchtiger Systeme.

Im Hinblick auf die Sicherheit, mit der der Sollzustand eines ungestört fließenden Verkehrs mit Unterstützung von Machine Learning erreicht werden soll, ähnelt der autonome Verkehr eher den Beispielen autonome Fabrik und Logistik.

Im Hinblick auf das Vermeiden nicht erwünschter Zustände (Unfälle), lässt es sich besser mit künstlichen Systemen vergleichen, bei denen die Risikoprävention im Vordergrund steht, also mit Anwendungsfällen aus der Medizin-, Pflege-, Kredit- und Versicherungswirtschaft.

Man könnte das autonome Fahren insoweit als ein Hybrid „zwischen“ diesen beiden klassischen Anwendungsvarianten, dem Herstellen und dem Vermeiden, begreifen.

Autonomes Fahren wird in Deutschland durch das Versicherungsrecht ausgebremst

Das größte Hindernis für die flächendeckende Einführung des autonomen Fahrens ist nicht mehr die ja bereits verfügbare und, wenn auch mit letalen Zwischenfällen “erprobte” Technologie, sondern das Versicherungsrecht. Dieses ist in Deutschland mit schuldhaftem Verhalten sowohl natürlicher als auch nicht-natürlicher Rechtspersonen vertraut. Das Institut der schuldigen Sache, des schuldigen Objekts, kannte das Versicherungsrecht jedoch bis jetzt noch nicht.

Es existieren keine gültigen Definitionen für optimale öffentliche Systeme

Solange das autonome Fahren noch nicht die Regel ist, solange muss man die dafür verwendeten künstlichen Intelligenzen eher im Lichte des deutlich mühsameren Prozesses des versuchten Herstellens optimaler dynamischer Zustände (Intelligente Fabrik, Logistik) betrachten. „Optimal“ heißt hier:

  1. Kein einziger Verkehrstoter, ja nicht einmal ein Verkehrsverletzter oder ein Blechschaden. Denn welchen Maßstab wollte man sonst wählen? Denn beim autonomen Fahren ist es natürlich so, dass es zwar schön aber eben nicht ausreichend ist, wenn sich möglichst wenige Unfälle ereignen. Für die flächendeckende Zulassung des autonomen Fahrens ist es notwendig, dass sich nicht mehr (sondern weniger) und auch nicht gefährlichere (sondern, wenn überhaupt, dann minder gefährliche) Unfälle zutragen als zuvor.
  2. Möglichst reibungsloser kollektiver Verkehrsfluss, also möglichst keine Staus und keine unnötigen Verzögerungen für die Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer (egal ob per Auto, öffentlich, zu Fuß, per Rad, Roller, Uber, Moia oder sonst einem Verkehrsmittel bzw -dienstleister)
  3. Möglichst schnelles individuelles Fortkommen aus der Sicht eines jeden einzelnen.

Spätestens hier wird klar, dass so ein „optimales System“ definitorisch eine äußerst schwierige Angelegenheit ist, da Zielkonflikte unvermeidlich sind und in einer offenen Gesellschaft unzählige Stakeholder auf die Entscheidung Einfluss nehmen wollen und Einfluss nehmen werden. Die Zielkonflikte sind einerseits sortaler Natur, andererseits zielgruppen- und entscheiderbezogen:  Geschwindigkeit gegen Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz, individueller Nutzen vs. kollektiver Nutzen, Berufsverkehr vs. Freizeitverkehr, Anwohner gegen Reisende usf. Wer soll hier wie entscheiden und gebührend angehört werden? Bis sich die Lobbyisten dieser Entscheider- und Betroffenengruppen verständigt haben und demokratisch legitimierte Entscheidungen einerseits abstrakt und pauschal, andererseits konkret und auf jedes einzelne „Zahnrad“ heruntergebrochen, getroffen und umgesetzt worden sein werden, werden nicht Jahre, sondern nach meiner festen Auffassung noch Jahrzehnte vergehen. Pilotversuche wird es viele geben, aber das war’s dann auch.

Wer die Macht hat, der hat die Technologie

Dies wird in China oder Russland anders aussehen, weshalb gute Gründe dafürsprechen, dass dort auch der technologische Vorsprung gegenüber dem Westen bald uneinholbar sein wird – leider. Das autonome Fahren ist ja nur einer von vielen Anwendungsfällen. Und wir erleben jetzt schon, wie nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika die „zerschlagt Facebook“ – Welle anschwillt und Sanktionen gegen den Datenmissbrauchsmonopolisten auch in Amerika durchgesetzt werden. Verständlich, sogar legitim! Am Ende aber für den Erfolg im Wettbewerb mit autokratisch beherrschten Systemen tödlich. Wer die Macht hat, der hat die Technologie. Und umgekehrt.