Was VCs und Business Angels verbindet – und was sie unterscheidet

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Sollen sämtliche Eier in einen Korb wandern? Bei Startups hast Du gar keine Wahl!

Teil 1: „Diversifikation“

Hin und wieder werde ich gefragt, ob denn das selektive Investieren in Startups als „Beruf“, nicht ein unverantwortlich riskantes Vergnügen darstelle, insbesondere dann, wenn man, wie ich, über praktisch keine anderen laufenden Verdienstquellen verfüge.

Dies ist eine rhetorische Frage, denn die Fragenden und der Befragte wissen  beide a) dass dieses Risiko tatsächlich ziemlich hoch ist und b) eine seriöse Antwort auf die Frage, ob das Eingehen dieses Risikos verantwortbar ist oder nicht, grundsätzlich keine befriedigende allgemeingültige Antwort finden kann, jedenfalls dann nicht, wenn derjenige, der das Risiko einschätzt und derjenige, der die Folgen des Risiko trägt, in einer Person zusammenfallen, wie dies bei mir der Fall ist.

Was Wohlmeinende mir so raten

Tatsächlich ist diese rhetorische Frage eigentlich immer nur die Ouvertüre zu einer zweiten Frage: Ob es denn nicht vielleicht bessere alternative oder zumindest komplementäre Investitionsklassen gebe, die das Risiko abfedern hülfen. Man müsse doch nicht sein ganzes Hab und Gut auf eine Anlageklasse setzen, vor allem sollte man das vielleicht dann nicht tun, wenn diese Klasse, nun ja, bekanntermaßen besonders riskant und besonders illiquide sei.

Auf diese Frage weiß ich regelmäßig keine Antwort. Denn natürlich könnte ich z.B. auch auf ein Sparkonto einzahlen (schlechte Idee), Bundesschatzbriefe kaufen, in offene und geschlossene Fonds oder ETFs oder Rohstoffe oder Hamburger Zinshäuser investieren.

Derlei würde ich aber unter „Vermögensmanagement“ rubrizieren, das ich denen überlassen möchte, die davon etwas verstehen. Es wäre nicht „Beruf“, denn für mich hängen „Beruf“ und „Berufung“ zusammen. Ich möchte meine Leser an dieser Stelle nicht mit der Frage langweilen, warum ich das Investieren in Start-ups vergnüglich finde und als Berufung betrachte. Es hängt wohl damit zusammen, dass ich davon geringfügig mehr verstehe (neudeutsch „Track Record“), als von all den anderen Dingen des Lebens, von denen ich fast nichts verstehe.

Außerdem und vor allem: Vermögen muss man ja erst einmal haben. Ich muss (und möchte) also mit meiner Berufung erst einmal (nennenswertes) Vermögen generieren, bevor ich es dann – hoffentlich – später überbezahlten externen Managern zur „Verwaltung“ überantworten kann 😉.

Nachdem dies geklärt ist, folgt aber fast immer eine dritte Frage: „Okay“, heißt es dann sinngemäß, „du hast Erfahrung mit Startups und willst diese Erfahrung monetarisieren.

„Du kannst doch gar nicht diversifizieren!“

Aber wie stellst du denn sicher, dass du dabei nicht pleitegehst?“ Es sei doch bekannt, dass im Schnitt nur eines von zehn finanzierten Startups einen nennenswerten Return bringe, der dann die übrigen neun Flops oder Quasiflops für einen passablen Gesamtreturn ausgleichen müsse. Das sage die Statistik und in einem Fall wie dem meinen, bei dem die Zahl der Investments im Vergleich zu den Portfolien von VC-Gesellschaften ja verschwindend klein sei, könne man sich ja nicht auf Statistik verlassen. Das Risiko des Totalverlusts sei demzufolge bei mir noch viel höher als bei VC-Gesellschaften, wo es ja auch nicht gerade klein sei. Und weiter: „Ich meine, diversifizierst du dein Risiko? Verteilst Du deine Investments über möglichst viele Branchen, Unternehmensphasen, Unternehmensgrößen, Geschäftsmodelle, Produktgattungen oder wie gehst Du vor? Du kannst doch gar nicht diversifizieren, weil die Zahl deiner Investments viel zu klein ist?“

Der falsche Schluss vom Besonderen aufs Allgemeine

Diese Frage und die ihr zugrunde liegende Argumentation ist teilweise sachlich und teilweise logisch falsch. Ein wenig formalisiert, lässt sie sich wie folgt rekapitulieren:

  1. Von 100 Prozent mit Seed Capital finanzierten Startups sind im Schnitt 90 Prozent entweder Totalverlustbringer oder maximal das Investment zurückgebende „Loser“.
  2. Die verbleibenden 10 Prozent müssen die Verluste der übrigen neunzig (auch die Unternehmen, die wenigstens das investierte Kapital zurückbringen sind eigentlich Verlustbringer) überkompensieren, wenn das Gesamtportfolio überhaupt eine Rendite einbringen soll.
  3. Ein Business Angel (wie ich), der ein Gesamtportfolio mit nur wenigen Zielunternehmen unterhält, (sagen wir mal, der leichteren Vergleichbarkeit und Arithmetik wegen, mit insgesamt „nur“ 10) läuft ein viel höheres Risiko als eine VC-Gesellschaft, dass die Statistik gemäß (1) nicht zu den eigenen Investments „passt“. Die 10 Prozent gemäß (2) würden sich in diesem Fall überhaupt nicht materialisieren (also 100 Prozent statt nur 90 Prozent Ausfall gemäß (1) oder aber der Winner gemäß (2) böte zu wenig, um die Verluste gemäß (1) ausgleichen bzw. überkompensieren zu können.
  4. ERGO ist das Risiko für Business Angels, die in Startups investieren, jedenfalls bei einem Portfolio ≤ 10 Zielunternehmen, gemessen an dem an sich schon hohen Risikoprofil von Venture Capital-Gesellschaften, sehr (gemeint ist: zu) hoch.
  5. Damit stellt sich die Frage, ob so ein Business Angel überhaupt mit einer hinreichend sicheren Aussicht auf nachhaltigen Erfolg Geschäft machen kann. Welche Strategie der Risikominimierung verfolgt er/ sie bzw. kann er/ sie, wenn es überhaupt eine gibt, verfolgen?

Was ist falsch an dieser Argumentation?

Eigentlich alles!

Ad (1) Es existieren viele Statistiken zur Ausfallquote von VC-Gesellschaften. Alle stammen aus Betrachtungen VC-gesellschaftsspezifischer Datenbanken. Die Statistiken unterscheiden sich in Abhängigkeit davon, welche Branchen, Regionen, Zeiträume und Fallzahlen in den Blick genommen werden. Entscheidend aber ist: Alle diese öffentlich zugänglichen Statistiken nehmen dezidiert die Investments von VC-Gesellschaften in den Blick und nicht die von Business Angels oder anderen Venture-Investoren. Es gibt also nur VC-Gesellschaftszahlen und keine mengenmäßig belastbaren Angel- oder Family Office-Zahlen über den Erfolg von Investments in Startups.

Ad (2) Das zweite Argument oben hängt mit dem ersten (1) zusammen. Es trifft nicht zu, dass 10 Prozent aller Venture Investments für die Verluste oder Beinahe-Verluste der angeblich übrigen 90 Prozent aufkommen müssen. Auf Investments von VC-Gesellschaften mag diese Zuschreibung cum grano salis zutreffen, auf Angel-Investments aber nicht. Jedenfalls gibt es keinerlei statistischen Belege.

Ad (3) Weil (1) und (2) falsch bzw. nicht belegt sind ist, auch (3) falsch bzw. nicht belegt.

Folglich sind auch (4) und (5) entweder falsch oder mindestes nicht belegt. Bei (5) kommt noch hinzu, dass Erfolg ja grundsätzlich immer eine Funktion des eingegangenen Risikos ist und eine seriöse allgemeingültige Beurteilung, wieviel Risiko angemessen ist, nicht existiert.

Wenn Körbe mehr kosten als Eier erlösen

Natürlich ändert das per se nichts daran, dass beide, sowohl VC-Gesellschaften als auch Business Angels, in einem risikoreichen Terrain unterwegs sind. Es ändert nur etwas daran, dass es keinerlei Beleg dafür gibt, dass Angels sich noch größeren Risiken als VC-Gesellschaften aussetzen.

Die falsche Annahme des besonders großen Risikos von Angel Investoren findet ihren Grund in der Fabel von den vielen Eiern in einem einzigen Korb. Stillschweigend wird unterstellt, die einzige oder jedenfalls die zentrale vernünftige Strategie zur Reduzierung von Investitionsrisiken aller Art – also auch von Investments in Startups – sei die Aufteilung der Investitionssumme auf möglichst unterschiedliche Investitionsziele, was immer „unterschiedlich“ im Zusammenhang mit Startups auch bedeuten mag.

Ob es gut oder nicht gut ist, seine Eier in nur einen Korb zu legen, darüber hat es immer wieder leidenschaftliche Auseinandersetzungen gegeben. Meine persönliche Auffassung dazu: Wer seine Risiken durch das Verteilen seiner Investitionen auf möglichst viele Töpfe minimiert, minimiert auch seine Chancen. Risikodiversifizierung ist ein Nullsummenspiel mit dem zusätzlichen Nachteil erheblicher zusätzlicher administrativer und intellektueller Aufwände. Wer jedes Ei in einen neuen Korb legen möchte, zahlt mehr für die Körbe als er oder sie über die Eier erlösen kann.

Entscheidend ist nicht die Zahl der Eier im Korb, sondern ihre Qualität

Bezogen auf Investments in Startups spielt diese Kontroverse allerdings überhaupt keine Rolle. Entscheidend ist nämlich, dass eine Diversifizierung bei Investitionen in Startups überhaupt nicht möglich ist. Warum, besprechen wir nächste Woche. An dieser Stelle sei nur schon einmal vorweggenommen, dass nicht die Zahl der Eier, sondern ihre Qualität über den Return entscheiden. Trivial? Klar! Doch Value Investments sind auch im Startup-Segment möglich.